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28.01.2025
Der gute Migrant

Der gute Migrant ist ein vorbildlicher Bürger und stellt vom ersten Tag an eine Bereicherung für die Gesellschaft dar. Er kommt an, bezieht eine kleine Unterkunft, zahlt pünktlich seine Miete und erledigt die nötigen Behördengänge in Rekordzeit.

Der gute Migrant kennt sich aus, spricht fließend Englisch und Deutsch. Von letzterem beherrscht er mindestens zwei Dialekte. Er zählt eine gute Bildung als auch eine forbildliche Erziehung zu seinen Haupteigenschaften. Neben all den anderen Dingen, auf die er sich in seinem Herunftsland als neuestes Mitglied unserer Gesellschaft vorbereitet hat.

Der gute Migrant duftet angenehm. Er wäscht sich jeden Tag die Füße und ist selbstverständlich Christ. Er ist möglichst weiß. Wenn er schon exotisch aussieht dann wenigstens so, dass er den Geburtsdeutschen an schöne Orte und leckere Getränke erinnert. Er hat gepflegte Zähne die allesamt in Reih und Glied stehen und ist von seiner Erscheinung eher unauffällig.

Der gute Migrant ist für gelegentliche Vergnügungen bestens ausgestattet. Zwar schnackelt er gerne, aber auf höchst unaufdringliche Weise und ohne, dass sich daraus eine Vermischung mit dem Urdeutschen ergibt. Zu seinem Stammbaum zählt er bekannte Größen, die allesamt Dinge getan haben die die Menschheit nur in bester Weise vorangebracht haben. Seine Aussprache ist akzentfrei, er artikuliert gebildet und höflich. In Straßenbahnen, Zügen oder auch Bussen räumt er gerne seinen Platz.

Der gute Migrant schickt sein Geld nicht ins Ausland. Er investiert in Immobilien und Aktien, spendet einmal zu Quartalsbeginn ein Zehntel seines Einkommens an ein Kinderhilfswerk und hilft am Wochenende bei der Tafel aus.

Der gute Migrant ist nicht ungehalten. Er schreibt Leserbriefe an Zeitungen, beteiligt sich am gesellschaftlichen Diskurs, glänzt durch einen schier unendlichen Schatz an Zitaten der größten urdeutschen Denker.

Der gute Migrant ist heterosexuell. Er gibt sich betont männlich, ohne alphamännliche Züge. Er fordert Gleichberechtigung.

Der gute Migrant nimmt niemandem die Arbeit weg. Er etabliert sich ohne Forderungen, ist gern gesehen und niemals wird er krank. Er übernimmt Verantwortung, entlastet seine KollegInnen und hat kein Problem mit Überstunden.

Der gute Migrant pfeift auf seine Herkunft. Mit dem neuen Wohnort wirft er sämtliche kulturelle Prägung über Bord. Er saugt die urdeutsche Suppe in sich auf wie ein Schwamm. Er spricht auch Zuhause Deutsch, bringt es seinen Kindern, Verwandten und auch Nachbarn bei und vermittelt zu jeder Zeit westliche Werte.

Der gute Migrant erlebt keine Diskriminierung. Durch seine vielen Vorzüge, seinen Fleiß, aber auch seiner Fähigkeit zur Anpassung und seiner tadelosen Orientierung an der deutschen Leitkultur hat er es geschafft, ein vollwertiges Mitglied einer stabilen, von christlichen Werten geleiteten und zur Nächstenliebe hin ausgerichteten Gesellschaft zu werden.

Dem guten Migrant geht es gut, weil er einfach in allen Belangen sehr gut ist.

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