Leicht - Kompakt
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22.12.2024
Adventsfrühstück
Gestern morgen fuhr ich gemeinsam mit meiner Frau unsere Tochter zur Arbeit. Ihre Mutter bat uns ihr ein Brot vom Bäcker mitzubringen. Und da die Zeit es hergab, ich hatte bereits den Ofen angefeuert und meine Frau den ersten Kaffee gekocht, blieben wir zum Frühstück und hatten eine gute Zeit.
Sie rief uns gestern gegen Abend erneut an und meinte, dass wir das heute gerne wiederholen könnten. Die Schwester meiner Frau würde ebenfalls dazukommen, ehe sie zur Arbeit fahren würde. Und so kamen wir, nachdem wir unsere Tochter am Arbeitsplatz abgeliefert hatten, bei meiner Schwiegermutter vorbei um erneut zu frühstücken. Dieses Mal allerdings ohne Brötchen, was der Sache keinen Abbruch tat.
Denn meine Schwägerin hatte gestern unter anderem Brötchen gerettet, die wir nur aufbacken mussten. Kater Erwin war bei all dem mit von der Partie. Er mauzte, lief über die Arbeitsplatte, zwischen ausgebreiteten Brötchen hindurch und wartete auf den Moment, an dem ihm endlich die durch bloßes Aufstehen verdiente Beachtung zu Teil werden würde.
Als ich die große, geräumige und von Weihnachtsdekoration hell
erleuchtete Küche betrat, saß meine Schwiegermutter gerade am Tisch und
sortierte ihre Tabletten. Obwohl sie behauptet hatte, bereits um viertel
nach sieben unter der Dusche gestanden zu haben, sah sie mir doch noch
etwas verschlafen aus. Leicht wirr sogar, allem Anschein nach. Ich
betrachtete sie einen Augenblick und meinte: Wenn du so weiter machst
sitzt du in fünf Jahren in Sohren!
Zum Verständnis. In Sohren gibt es ein Altersheim. Dort waren bereits mehrere Familienmitglieder untergebracht. Alle hatten sie gemein, dass sie mehr oder weniger alleingelassen und trostlos auf ihr hoffentlich nicht allzu fernes Ende warteten.
Schwätz doch nit dumm! Dat gläwst dau un’ äich nit!
, war ihre
Antwort darauf. Ihrer Meinung nach stirbt sie in diesem Haus und wird,
irgendwann in weiter Ferne (aber bitte nicht zu fern), mit den Füßen
voraus herausgetragen. Ich wünsche es ihr.
Wir tauschten weitere gut gemeinte Sticheleien aus. Sprachen über ihren Hausarzt, der allem Anschein nach auch nach vielen Jahren noch immer eine Pfeife ist und verantwortlich für die Schmerzen, die sie zur Zeit wegen falscher Medikation zu ertragen hat.
Ich belegte meine Brote mit Kräuterfleischkäse, verteilte ein gut gelungenes Ei darauf und bedachte das ganze mit ausreichend Salz und Maggie. Man gönnt sich ja sonst nichts. Beide Damen sahen sich gezwungen meine Essgewohnheiten zu kommentieren, wie schon so oft in der Vergangenheit. Was kümmert es mich?!
Dann wurde Musik aufgelegt. Meine Schwiegermutter nutzt noch immer das selbe kleine grüne Radio, mit dem schon unsere Kinder CDs abgespielt haben. Zu meinem Verdruss kramte sie eine der Amigos heraus, worauf ich gleich wieder eine Geschichte zum besten gab.
Vor etlichen Jahren hatte meine Frau in einem großen Geschäft eine
Sammlung verschiedener Artikel, unter anderem auch CDs, der Amigos am
Rand stehen sehen. Sie erzählte meinem Vater davon. Die Amigos
standen da gleich rechts!
Worauf mein Vater ebenfalls in dieses
Geschäft fuhr, in der Annahme dass die echten Amigos dort stehen würden.
Er hätte sie nicht gesehen, erzählte er später. Worauf meine Frau
meinte, dass sie gleich rechts am Eingang gestanden hätten. Seitdem
lachen wir jedes Mal ganz bösartig über dieses Missverständnis.
Was die Herren da singen ist kaum zu ertragen. Aus dem Gedächtnis:
Nimm uns doch endlich zu dir … dann ist die Weihnacht wieder wie
früher…
Ich behaupte felsenfest, wer so etwas hört, als Musik bezeichnet und
auch noch gut findet, muss senil sein. Oder er wird es werden, wenn er dem
nur lange genug ausgesetzt ist. Wie soll es auch anders sein? Wer davon
singt, dass er endlich sterben möchte weil er die besten Jahre hinter
sich hat und der Sache überdrüssig ist sollte einfach keine CDs
verkaufen dürfen. Nach einiger Zeit legte sie die Kastelruther Spatzen
auf, die ich liebevoll als Kastelruther Spacken
bezeichne. Die
Sache wurde nicht besser.
Mein Blick wanderte in das Aquarium, welches rechts an der Aussenwand zwischen zwei großen Fenstern steht. Darin befindet sich unter anderem eine Robbe aus Ton. Sie liegt auf der Seite, mit einem großen runden Loch im Bauch. Darin wiederum liegt ein Fisch, ebenfalls auf der Seite. Er macht zunächst den Anschein als sei er tot, nur um im nächsten Augenblick doch wieder zu atmen. Die würden das immer so machen.
Nach vielen Neckereien, die Küche füllte sich langsam mit Menschen
und meine Frau hatte meinen kaltgewordenen Kaffee entsorgt, beschloss
ich nach Hause zu fahren um diese Zeilen zu schreiben. Ich habe noch
einen weiteren Gedanken im Kopf, den veröffentliche ich aber erst am
Heiligen Abend
.
Blicke ich zum Fenster heraus kann ich sehen wie es schneit. Es ist eher Schneeregen, also Schnee von der weniger nachhaltigen Sorte. Direkt neben mir sitzt Motte. Er beansprucht den Nummernblock meiner Tastatur und meine Maus für sich, so dass ich beide nicht nutzen kann. Im Moment brauche ich sie nicht und wenigstens tippt er nicht. Dieses Mal.
In etwa einer halben Stunde werde ich das Haus verlassen, mich zu Fuß auf den Weg zu meiner Schwiegermutter machen und Geschnetzeltes mit Paprikastreifen genießen. Der Plan ist sich im Anschluss vollgefressen auf die Couch zu legen und zu lesen. Meine Frau wird schimpfen und mich anzicken weil ich so faul bin, während sie durch das Haus geistert um dieses und jenes zu erledigen.
Anstatt sich auch einfach nur mal hinzulegen, was ihr sicher gut tun würde. Das ist aber auch eine dieser Geschichten, die sicher nie zu Ende erzählt werden…
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