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07.11.2024
Gehen oder Fallen lassen
Bevor meine Kinder mich fertig machen lasse ich sie eher
fallen!
Diesen Satz habe ich eben im Beisein meiner Frau zu ihrer
Freundin gesagt. Beide waren geschockt. Das ist etwas, dass sie nie
könnten. Aber an dem Kummer ausbrennen, den einem die eigenen Kinder
unter Umständen bereiten können, das würden sie.
Beide meinen in dieser Aussage die Unterschiede zwischen Männern und Frauen zu erkennen. Oder, zwischen Vätern und Müttern. Die Bindung zwischen letzteren und ihren Kindern sei so viel intensiver. Alles gut aber nicht ganz richtig, gegenteilige Beispiele gibt es schließlich zu Genüge.
Der Freundin wurde bereits von verschiedenen Seiten, auch der Caritas, geraten die Kinder gehen zu lassen. (Auf die Unterschiede beider Aussagen gehe ich später noch ein!) Manche brauchen das eben. Wenn man sie nicht loslässt, so glaubt man, lernen sie es nie. Auch ich gehe da mit, wenn auch nur in Teilen. Wie alle hat auch diese Medaille zwei Seiten. Auf jeden Fall sollte man, wenn die Probleme und Ängste immer drängender werden, sich professionelle Hilfe zur Seite nehmen.
Die Deutsche Depressionshilfe ist eine erste und wichtige Anlaufstelle um Hilfe zu finden und psychische Leiden der Kinder zu erkennen und zu behandeln. Auch, um die eigenen Wunden zu heilen. Das ist etwas, was wir nicht alleine schaffen können. Wir können unsere Kinder über alle Maße lieben, aber nicht von schweren Krankheiten wie einer Depression befreien. Es geht mir im diesen Artikel auch ganz klar nicht darum, Menschen abzuschieben weil sie nichts ins Bild passen. Es geht darum sich frei zu machen von vergifteten Familienverhältnissen.
Gerade das macht es Eltern so unendlich schwer. Weil sie nicht voreilig handeln wollen. Weil sie ihre Kinder lieben und beschützen wollen und dafür bereit sind vieles, manchmal zu viel, in Kauf zu nehmen.
Egal wie sehr man sich mit ihnen streitet, sie einen verletzen oder enttäuschen, man liebt die eigenen Kinder. Pubertät ist eine heikle Angelegenheit mit einer starken Dynamik und man möchte sie auf gar keinen Fall, schon gar nicht verfrüht, fallen lassen. Wir haben immer Hoffnung, waren schließlich auch mal jung. Nur hat es sich damals irgendwie ganz anders angefühlt.
Bis sie pubertieren füllen sie unsere Köpfe mit Bildern und Geräuschen, unsere Herzen mit Emotionen. Diese kleinen süßen Speckbeine die sie haben, das lachen und das quietschen. Wir spielen mit ihnen, behüten sie, drücken sie ganz fest an uns, nehmen ihren Geruch ganz tief in uns auf. Ihr Lächeln bestimmt unseren Tag und das schmiedet uns zusammen.
Dann wachsen ihnen Haare an Stellen die sie selbst nicht kannten, entdecken Sex und Drogen und mutieren zu miesen kleinen Arschlöchern. Das kann eine Phase sein, im besten Fall. Eine die bestimmt wird von Unlogik, einem ständigen Wechsel zwischen wütend und eingeschnappt sein. Und ab und an mal gemeinsam lachen.
Kinder können ihren Eltern nicht nur Sorgen machen, sondern richtiggehend Angst. Wenn sie kiffen, keinen Antrieb zeigen, immer nur schlecht gelaunt sind und eine weitere Ausbildung abbrechen wollen. Weil auf der Arbeit sowieso alles scheiße und man selbst nur das Opfer ist.
Wenn man irgendwann begreift wie sehr man in Ängsten versinkt, damit beginnt Vermeidungsmechanismen zu entwickeln oder einfach nur noch müde auszusehen, sollte man sich konsequent das Recht herausnehmen, um des eigenen Wohles Willen, an sich selbst zu denken.
Schließlich hat man so vieles getan. Sie aufzuziehen, die vielen Versuche sie doch noch zu motivieren etwas mit ihren Leben anzufangen und eine der viele Möglichkeiten zu nutzen hat bereits viel Kraft und Einsatz gefordert. Wenn all diese Bemühungen nur Unverständnis und Aggression ernten sollte man sich ehrlich machen und die Reißleine ziehen.
Du musst den Punkt erreichen an dem du dich aus der Frustspirale heraus nimmst. Ohne schlechtes Gewissen oder Vorwürfe, das eigene Kind fallen zu lassen.
Ich glaube die wichtigste Erkenntnis liegt in der Bewertung der Worte Gehen und Fallen. Fallen hat im Vergleich eine deutlich negativere Wertung. Man glaubt zu sehen und schuld daran zu sein wie die Kinder in ihr eigenes Verderben stürzen. Weil wir sie haben fallen lassen werden sie scheitern. So muss es aber nicht sein.
Wir sind es ihnen genauso wie auch uns selbst schuldig, sie Gehen zu
lassen. Sie sollen ihre eigenen Erfahrungen machen. Du glaubst du
weißt es besser? Gut, dann trage im Gegenzug aber auch die Verantwortung
für deine Entscheidungen. Ich habe dich gewarnt!
Wenn die eigenen Kinder einem das Leben zur Hölle werden lassen kann man sie gerne auf Distanz bringen!
Bis hier hin und nicht weiter. Du hast eine lange Phase meines
Lebens bestimmt, was auch gut war. Aber jetzt tust du mir einfach nur
noch weh und ich brauche Luft zu atmen. Das hier ist mein Freiraum. Ich
gestalte ihn nach meinen eigenen Vorstellungen und du darfst ihn nur
betreten wenn du dich an die Hausordnung hälst.
Das wird ein schwieriger, aber auch ein heilender Prozess werden.
In den meisten Fällen sind es einfach die Hormone, die uns das Leben schwer machen. Meine Pubertät war im Nachgang auch schwer und ich habe mich daneben benommen. Das kann heilen und wird es in den meisten Fällen auch. Man wird sich, wenn man älter ist und das Leben den Jungen Menschen die Kanten abgeschliffen hat, auf einer ganz anderen Basis begegnen. Auf Augenhöhe. Man wird sich vieles verziehen und wieder viele schöne Momente gemeinsam erlebt haben.
Bei denjenigen, auf die das nicht zutrifft, sollte man sich nicht zu stolz sein sie möglichst weit von sich weg zu schieben. Blut ist nicht dicker als Wasser, wir schulden uns gegenseitig gar nichts.
Ehe meine Kinder mich fertig machen lasse ich sie eher fallen. Sie würden nicht stürzen, aber aus einer Höhe fallen in der sie den Aufprall spüren. Sie würden ihre Wege gehen, ich meine. Ich würde sie kritisch beäugen, einen strengen Blick auflegen, aber auch tief in meinem Herzen voller Stolz jeden ihrer Triumphe mitfeiern. Ich würde den Tag herbeisehnen an dem ich meine Kinder wieder in den Arm nehmen und lieben darf.
Das muss dann aber von beiden Seiten kommen!
Erwähnungen:
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