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03.09.2024
Deutsche Ungeduld
Auf Dinge warten ist eine Sache, die ich nur begrenzt gut kann. Ich
bin schon besser geworden, wirklich. Als meine Frau und ich noch nicht
lange zusammen waren, sagte einst der Besitzer eines Bekleidungsladen
folgenden Satz zu mir: Sie müssen noch viel geduldiger
werden!
Ja, so Sätze hört man im Laufe seines Lebens. Ich bin an der Herausforderung des Wartens gewachsen. Gehe ich heute mit meiner Frau einkaufen bin ich die Ruhe selbst. Soll sie sich ruhig alles anschauen. Ich kann mich ja auch irgendwo parken. Den Leuten zuschauen, mit meinem Smartphone irgendwas recherchieren, oder meine Aufmerksamkeit dazu aufwenden Dinge anzustarren. Und starren kann ich gut.
Eng wird es, wenn ich Dinge will. Unbedingt und mit jeder Faser meines Körpers und all meiner Gedankenskraft will. Bei meinem aktuell heißestem Projekt, dem Autokauf, stoße ich erneut an meine Grenzen. Gründe gibt es viele. Das Geld ist noch immer nicht da, um nur eine Sache zu nennen. Es kommt, wir haben definitiv ein Go. Aber, es kann noch ein paar Tage dauern und das macht mich wahnsinnig.
Morgen melde ich das Auto an, habe heute die Papiere dazu abgeholt. TÜV in Ordnung, keine Mängel, ich darf den Schein behalten auch wenn noch kein Geld geflossen ist. Der Händler geht auf mich zu, alles fein. Und trotzdem leide ich sehr unter dem Eindruck, einer Hinhaltetaktik unterworfen zu werden.
Vergangenen Dienstag habe ich mir das Auto angeschaut und Kaufbereitschaft signalisiert. Donnerstag habe ich den Termin für Freitag fix gemacht um den Vertrag zu unterschreiben. Heute, zwei Tage später, bekomme ich die Papiere. Ein Drittel der Vereinbarung ist erst umgesetzt. Der TÜV. Die Inspektion steht noch aus, die Anhängerkupplung wird die Tage irgendwann montiert. Ohne die nötige Inspektion gibt man das Auto, aus Gründen die ich verstehen kann, nicht heraus. Kunden bekämen derzeit Termine erst innerhalb der kommenden drei Wochen, so ausgebucht sei man. Man versuche, die Dinge zu beschleunigen. Man sagt mir, Vorfreude habe schon manchen Schaden gebracht.
Ich frage mich dennoch, spielt der Kaufpreis keine Rolle? Ich bezahle einen ordentlichen fünfstelligen Betrag und muss doch warten? Kann ich nicht erwarten, das Auto innerhalb einer Frist von fünf Tagen fahrbereit überstellt zu bekommen? Warum ging man die Dinge nicht schon eher an? Den Schein habe ich, der Vertrag ist unterschrieben, Geld kommt. Was soll das? Will man auf Nummer Sicher gehen? Ist das was persönliches?
Gut, wir kennen es alle. Fachkräftemangel. Viele sind oft krank, taugen nichts oder bleiben gleich ganz Zuhause, weil Papa Staat der attraktivere Arbeitgeber ist. Jeden Morgen aufstehen und arbeiten? Warum das denn schon wieder?
Der Rest ist gebunden, löst jeden Tag eine Vielzahl komplexer Probleme. Und ja, in den Werkstätten ist mal nix, dann wieder ganz viel zu tun. Wir haben Urlaubssaison, Arbeiten sollen gewissenhaft erledigt werden um Reklamationen zu vermeiden und und und. Es gibt X gute und nachvollziehbare Gründe, weshalb ich jetzt warten muss.
Warum kann eigentlich nicht alles bereits gestern erledigt sein? Warum sind wir in allem so langsam? Warum glauben wir eigentlich alle, dass andere morgens nur für unser persönliches Entertainment aufstehen? Und dann die Angst, dass irgendwas doch noch gewaltig schief gehen könnte und ich einen Kaufvertrag für ein Auto unterschrieben habe, welches ich am Ende nicht bezahlen kann. Bin ich eigentlich total bescheuert?
Ich beruhige mich innerlich. Wo bleibt mein Vertrauen? Denk daran, du hast die Papiere im Sack. Die Dinge dauern schon mal länger. Du hast ein fahrbereites Auto, warum also mit Biegen und Brechen auf den Neuen pochen? Wenn du ihn in erst zwei Wochen bekämst, hättest du keinen Schaden davon. Der Händler ist nett, das Auto ein guter Kauf, du hast die kommenden 25.000km Ruhe. Leidet dein Selbstbild, wenn du gezwungen bist zu warten? Geht das irgendwen irgendwas an? Was macht das mit dir?
Beruhige dich Daniel, beruhige dich. Denk zurück an die Situation vergangene Woche, als du mit deinem Quasi-Schwager am Leergutautomat gestanden hast. Der Automat hat gezickt und wir mussten einen Mitarbeiter rufen. In der Zwischenzeit kam eine Frau und bat darum vorgelassen zu werden.
Ich sagte ihr dass der Automat nicht funktioniere und sie warten
müsse. Sie ging zum nächsten, der war ebenfalls besetzt, bat einen Mann
sie kurz vorzulassen. Nein, Sie verstehen mich nicht! Sie müssen den
Knopf drücken, damit ihr Bon rauskommt und ich meine Flasche einwerfen
kann!
Eine Flasche! 25 Cent. Dafür nervt die Frau Menschen.
Menschen, die kein Deutsch verstehen. Menschen, die selbst ein
Tagesprogramm haben und froh sind, wenn sie das Geschäft schnell wieder
verlassen können.
Eine Rüge hat sie von mir bekommen für ihre Ungeduld, Karmapunkte verloren hat sie mit ihrer unschönen Art. Und nun komme ich. Ich dummer, armer Tropf. Wer gibt hier das schlechte Beispiel?
Wie man sieht, ich fechte einen inneren Kampf gegen eine Deutsche Unart aus. Aber ich werde bestehen. Den Rest der Woche übe ich mich in Geduld, bleibe freundlich und baue auf gutes Karma. Ich werde nicht in Gedanken Messer wetzen und einen Schlachtplan entwerfen der die totale Zerstörung aller zwischenmenschlichen Beziehungen vorsieht.
Nein. Das ist es alles nicht wert. Lass die Dinge ihren Lauf nehmen. Die Zeit wird vergehen und du wirst zu deinem Vergnügen kommen. In der Zwischenzeit, lieber Daniel, übe dich in Gelassenheit und Vertrauen. Mindestens zwei Menschen die du kennst haben in den letzten Tagen vieles getan, damit du ohne großes Zutun bis zu diesem Punkt gelangt bist. Mach das nicht kaputt. Sei dankbar. Du hast bereits viel Glück gehabt.
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