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21.12.2023
Droge Zocken
Auch ich habe als Kind und Jugendlicher einige Zeit am PC oder vor Konsolen verbracht. In einer anderen Zeit.
Damals™ musste man sich noch treffen, um gemeinsam zu spielen. Internet gab es genauso wenig wie Handys. Man verabredete sich in der Schule mit jemandem, der sowas hatte. Dann bewältigte man eine physisch vorhandene Strecke zu Fuß, mit dem Rad, mit dem Bus. Zu jeder Jahreszeit. Wenn die Zeit es zuließ.
Man war auch in der Anzahl der Mitspieler beschränkt, weil es nur maximal zwei Controlleranschlüsse gab. Man musste sich also einteilen, wenn man zu mehreren war. Man musste sozial agieren, sich absprechen, einen gut abschätzbaren Leidensdruck aushalten.
Heute steht in vielen Haushalten die eine oder andere Konsole. Fast jeder hat einen schnellen DSL-Anschluss. Ohne Internet ist ein Leben fast nicht mehr zu denken. Einschränkungen sind meist künstlich und lassen sich durch Zahlungen beheben. Man kann sich Zeit kaufen und Plattformen beitreten. Man zahlt aber nicht nur mit Geld, sondern oft genug auch noch mit Daten. An sich grausige Zeiten. Aber eigentlich sind diejenigen, für die diese Zeiten ein Graus sind, selbst schuld. Weil sie nichts daraus machen.
Mein Sohn hat sich heute, mal wieder, über die Firmenpolitik seiner Spielekonsole ausgelassen. Was er nicht schon alles bezahlt hätte und weiterhin bezahlen müsse, um mit seinen Freunden gemeinsam Zeit Online verbringen zu können. Und an der Stelle gehe ich noch mit. Viele Angebote sind darauf ausgelegt, dass die Kunden regelmäßig Geld investieren müssen
, wenn sie diese weiter nutzen wollen. Genau hier liegt nach meiner Meinung der Hund begraben.
Erkläre einem Drogenabhängigen, er solle aufhören Drogen zu nehmen. Man wird scheitern. Der Drogenabhängige weiß, dass er abhängig ist. Er weiß, dass er sein Leben und seinen Körper zerstört. Aber er will den Kick. Er will den Spaß, sei er noch so kurzlebig. Der Wille, all das hinter sich zu lassen flammt immer wieder auf, wird aber auch genauso oft von der Sucht gefressen. Das gleiche sehe ich bei Zockern.
Sicher gäbe es auch andere Angebote. Aber dann wäre der bisherige Lebensinhalt futsch. Das könnte man auf Raten so machen. Alleine der Gedanke, in Zukunft nicht mehr zu zocken, scheint undenkbar. Und warum sollte man auch nicht mehr zocken? Genauso gut könnte man doch verlangen, die Anbieter sollten ihre Angebote sozial gerechter gestalten. Hier tut sich ein riesen Fass auf.
Ich habe meinem Sohn geraten eine Entscheidung zu treffen. Entweder akzeptierst du weiterhin, dass du dich in einem von den Herstellern genau abgesteckten Bereich auf bestimmte Weise amüsieren kannst, oder du kehrst ihnen den Rücken zu. Beides mit allen Konsequenzen.
Er tut sich nichts Gutes, wenn das alles ihn so frustriert. Ob die Hersteller schlecht sind und sich nur bereichern wollen, oder ob man es einfach nicht allen recht machen kann, sollen andere klären.
Für mich steht fest. Wenn mich jemand vor die Wahl stellt, ein limitiertes Angebot zu einem (nur für diesen Zeitraum) festgeschriebenen Preis zu nutzen oder es zu lassen, wäge ich den Kosten- Nutzenfaktor ab. In der Regel verzichte ich dann gleich von Anfang an darauf. Oder ich suche nach Alternativen. Eine Kröte muss man am Ende dann doch schlucken.
Genauso verhält es sich mit den Sozialen Netzwerken. Man integriert sich in eine Plattform, bei der es nicht den geringsten Anspruch auf immer währende Verfügbarkeit gibt. AGB's können sich ändern. Sie können aufgekauft werden. Freunde wandern ab. Für die bezahlt man zwar in aller Regel nicht. Man macht sich aber trotzdem abhängig. Viele leiden, haben Stress.
Auch aus dem Grund existiert dieses Blog. Weil diese Struktur meine ist und ich bestimme, wie lange und in welcher Form sie existiert. Ich bin abhängig von einem Anbieter da ich nicht selbst hoste, aber der Code und die Domain gehören mir.
Wenn ich das Blog zu mache, können die Menschen mich immer noch kontaktieren, wenn sie meine E-Mail Adresse haben. Ansonsten habe ich eben nie existiert und keinen Schwanz juckts. Die paar Hobbys die ich pflege haben gemein, dass ich einen Preis für sie bezahle, den ich bereit bin zu zahlen. Ich kaufe physisch vorhandene Dinge. Ich werde zum Besitzer.
Ich mache es mir leicht. Ich stamme aus einer anderen Zeit, ich habe das Glück, andere Interessen zu haben. Ich muss nicht immer den neuesten Scheiß mitmachen.
Mein Sohn könnte das auch. Millionen Menschen in Deutschland und auf der Welt können das auch. Indem sie sich Dingen zuwenden, die sich nicht in Fesseln legen. Die sie nicht nur auf Zeit und auf bestimmte Weise haben können.
Aber das wollen die Anbieter verschiedener Dienste nicht. Und selbst wenn Menschen sich heute von all dem abwenden, morgen wären die alten Anbieter wieder im hippen neuen Gewand da.
Letzten Endes muss man Entscheidungen treffen und halt auch mal verzichten. Oder akzeptieren, dass alles einen Preis hat. Es gibt viele die das tun. Wenn die alle gute Entscheidungen treffen, finden sie sogar Zeit, Mittel und Wege, sich gemeinsam und befreit zu verbinden.
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