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06 Juni 2023 - Samenproben und Digitalzombies

Es könnte sein dass ich gerade eine Kompromisslösung gefunden habe, welche es ermöglicht dass Motte und ich gemeinsam an diesem Tisch koexistieren können, ohne dass der eine dem anderen im Weg ist.

Im Grunde stimmt letzteres ja gar nicht, ist es in der Regel doch so, dass ich zuerst am Tisch sitze und Motte sich dann dazu gesellt. Ich hätte beinahe bequemt gesagt, mit ihm direkt vor der Tastatur und meiner daraus resultierenden Körperhaltung sollte aber nicht in einem Satz mit Bequemlichkeit vorkommen. Und außerdem bin ich schon gar nicht im Weg, ich bin nur gerade anwesend und habe zur Verfügung zu stehen um Streicheleinheiten zu verpassen. Was ist der Schlüssel? Ich habe zwei Küchenhandtücher hier liegen, fragt nicht, die ich nun ausgebreitet und aufeinander gelegt habe. Hab ihn drauf gesetzt und etwas gestreichelt, nun liegt er in der katzentypischen Schlafhaltung neben mir und stört kein Stück. Er ist bei mir, ich kann tippen, WIN-WIN.

Am gestrigen Montag war ich also in der Hunsrück-Klinik in Simmern, wegen eines Vorbereitungsgesprächs meine Vasektomie betreffend. Mein erster Eindruck war, da herrscht viel Hektik in den Gängen, um nicht Chaos zu sagen. Ganz normaler Krankenhausalltag wie es scheint. Ich war aber überrascht wie schnell dann alles ging. Eine kurze Wartezeit später saß ich bereits in einem Zimmer, wurde über alles aufgeklärt, sollte 30€ bezahlen von denen mir vorher keiner was gesagt hatte (weshalb ich natürlich kein Bargeld dabei hatte) und wurde abgetastet. Könnte ja sein, dass ich mehr als zwei Samenleiter habe, oder weniger. Ob ich Kinder hätte und in welchem Alter, alles Routine. Der tatsächliche OP-Termin ist erst am 03. August, ist noch ein Stückchen.

Melden soll ich mich zwei bis drei Wochen vorher, wie vor jeder OP, bezüglich eines Anästhesie-Vorgesprächs. Was der ganze Spaß kosten soll weiß ich auch schon. Irgendwo zwischen 615,25€ und 645,25€, wobei ich von 700€ ausgehe. Ziemlicher Klopfer, davon kann man viele Pillen für danach, Kondome und weitere Verhütungsmittel für beide Partner besorgen. Ich will aber, im wahrsten Sinne des Wortes, einen glatten Schnitt unter die Sache machen und meine Ruhe haben. Wobei selbst diese Methode nicht vollkommen sicher ist. Wir müssen beide unterschreiben, dass wir im Falle eines Falles niemandem den Arsch verklagen können. Natürlich ist die Sache sehr unwahrscheinlich, es soll aber schon vorgekommen sein dass Samenleiter wieder zusammengewachsen sind und somit die Fruchtbarkeit wieder gegeben war. Aber was ist schon perfekt?!

Direkt nach der OP ist Mann sowieso noch nicht steril, es liegt noch Munition auf Lager. Sechs Wochen später eine Samenprobe, dann wieder sechs Wochen später. Erst wenn zwei Proben keine Spermien aufweisen gelte ich tatsächlich als sterilisiert. Klingt mir sehr nach Tierarzt, ist aber so.

Ich höre schon die dummen Sprüche meiner Arbeitskollegen, wenn ich denen erzähle dass ich beim Arzt war um eine Spermaprobe abzugeben. Wer die denn genommen hätte, ob sie aus Versehen alles geschluckt hat usw. Der männlichen Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt, und eigentlich habe ich diese Sprüche auch schon genau so gehört. Natürlich sind nicht alle Kollegen so einfach gestrickt, wenn Frauen alleine sind werden die Sprüche unter Garantie aber auch keinen Deut besser sein.

Mein Schichtkollege hat die Prozedur bereits hinter sich. Seine Beschreibung, dass es sich nach der OP so anfühle, als würde man zu eng geschnallte Hosenträger tragen, fand die mich untersuchende Ärztin treffend. Wir werden sehen, ist ja noch ein paar Tage hin.

Als ich das Krankenhaus verlassen hatte, suchte ich gleich die lokale Bankniederlassung auf, ich musste ja noch einmal in die Arztpraxis um meine Schulden zu bezahlen. Während meiner Autofahrt habe ich etwas beobachten können, was mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf ging. Ein Junge lehnte an einer Ampel, starrte auf sein Handy ohne zu bemerken, dass er eigentlich hätte gehen können und dort Autos standen und auf Grün warteten. Erst als wir wieder anfuhren bemerkte er dass er seine Chance verpennt hatte. Einige Minuten und nur wenige Hundert Meter weiter sah ich ihn wieder, er lief den Bürgersteig entlang und starte natürlich nur auf sein Handy. Wenn man gezielt danach sucht sieht man solche Menschen ja oft. Mütter mit Kinderwagen, Fluppe in der Schnüss und natürlich nur Augen für das Handy.

Ich weiß, ich nutze mein Handy selbst auch immer wieder, aber nur zwischendurch. Wenn ich wo hin gehe gehe ich wo hin. Digitalzombies tun mir einfach nur leid. Die sollen machen was sie wollen, aber sie tun mir einfach nur leid. Ich sehe tote Menschen in Särgen liegen, mit einem Tablet oder Smartphone in die Sargfassung gearbeitet, Bestattungslieder spielend. Ihr followed mir alle, früher oder später!

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