Nachdem wir den gestrigen Samstag mit ausreichend Bohnensaft begrüßt hatten, machte ich mich alleine aber voller Tatendrang auf den Weg, das frisch geschnittene Brennholz Heim zu holen.
Als der zweite Hänger beladen war, kam ich mit einem Nachbar meiner Schwiegermutter ins Gespräch. Er war ebenfalls mit der Aufbereitung seines Brennholzes beschäftigt, für einen Plausch ist aber immer Zeit. Wir haben sicher fünfzehn Minuten gesprochen, dabei ganz unterschiedliche Themen behandelt, wobei ich wieder manches gelernt habe. Der Mann ist in Ordnung, ein auf dem Boden gebliebener. Mit ihm kann man klar kommen, weil er einen nicht verurteilt für das was man trägt, welches Auto man fährt oder welchen Status man innerhalb der Dorfgemeinschaft hat. Er bildet sich selbst ein Urteil, hat vieles zu sagen und steht mit beiden Beinen fest auf dem Boden. Ich mag ihn.
Angefangen hat alles damit, dass ich ihn gefragt hatte wo denn sein alter Audi 80 geblieben sei, denn er lange gefahren hat. Er hat mir erzählt dass er ihn vor 21 Jahren als Unfallwagen für 4000€ gekauft und in der Zeit nicht viel Geld investiert hat. Jetzt wurde er dann aber doch zu alt, ab und an kamen Zweifel auf ob er es noch lange macht, weshalb er letztendlich doch verschrottet wurde. Das Auto war sicher nachhaltig, nach etlichen Jahren und vielen tausend Kilometern ohne viele Reparaturen gab der Nachbar diesen Schatz nur ungern ab. Ich baue zu den Dingen eine Verbindung auf
, meinte er, das klingt vielleicht komisch!
Das klingt es ganz und gar nicht, ich kann das absolut nachvollziehen. Man pflegt die Dinge, schaut dass sie lange funktionieren und keine unnötigen Schäden erleiden. Das muss kein Auto sein, genauso kann man auch eine Verbindung zu seinem Hausschlüssel, dem Smartphone oder, wie in meinem Fall, meiner Spiegelreflexkamera haben, die sich von anderen unterscheidet. Man liebt diese Gegenstände, es ist wie eine Art Magie die einen verbindet.
Er hat mir von seiner Frau erzählt, die deutlich strenger ist was die Enkelchen anbelangt. Bei ihm wüssten die Kleinen wie sie den Opa rum bekommen, was die Oma sagt ist "Gesetz". Auch hat er mir erzählt wie seine Frau schon mit vierzehn Jahren Zuhause ausgezogen ist. Sie wollte Krankenschwester werden, gegen den Willen ihrer Eltern. Sie musste erst etwas mit Hauswirtschaft machen, wenn ich recht erinnere, ehe sie die Ausbildung zur Krankenschwester absolvieren konnte. Die Zeit war nicht immer leicht, sie hatte manches Mal geweint weil sie überfordert gewesen war, aber sie ist ihren Weg gegangen und das hat sie geprägt. Eine schöne Geschichte, erinnert mich ein wenig an mich, mein Weg war ähnlich.
Wir haben über die eigenen Kinder gesprochen, über die Pubertät und die Empfindungen von uns als Eltern in dieser Zeit. Wir haben festgestellt dass man nachsichtig sein, an die eigene Zeit des Erwachsenwerden zurück denken muss. Mir fällt das derzeit nicht immer leicht, das nachsichtig sein. Ich bin oft angefressen wegen manchen Entscheidungen die gerade der Große trifft. Weil ich denke er könnte es besser, die Voraussetzungen sind andere, er hat mehr Möglichkeiten. Aber, er ist immer noch ein Kind letzten Endes, auch wenn er kommendes Jahr volljährig wird. Er hat nicht meine Erfahrung, aber die gleiche Veranlagungen. Das bekümmert mich, aber was bleibt einem anderes übrig den Weg zu begleiten? Und wenn ich zurückdenke... würde ich heute meinem damaligen Ich begegnen, ich würde versuchen mir den Kopf reinzuwaschen und vermutlich doch keinen Erfolg haben. Mein damaliges Ich würde mich als einen weiteren derjenigen betrachten, die allesamt nur Belehrungen und große Töne spucken, aber nicht sehen wie es wirklich in mir ausschaut. Erst im Nachhinein, viele Jahre nach der Pubertät habe ich verstanden, wie schwierig diese Zeit für mich war. Wie kann ich dann von meinem Sohn verlangen, alles richtig zu machen und Versuchungen zu erkennen und zu widerstehen?
Der Nachbar hat erzählt, wie er eines Freitags Abends den Käfer von seinem Vater genommen habe, um ihn zu tanken. Er kam am späten Sonntag Abend damit zurück, die Zwischenzeit hatte er in Koblenz bei seiner zukünftigen Frau verbracht. Sein Vater habe nicht geschimpft, meine Schwiegermutter hat schöne Worte und Erinnerungen für ihn übrig.
Jedenfalls (ist der Kopf dicker als der Hals, wie meine Schwiegermutter nun zu sagen wüsste), ich habe gestern acht Anhänger Holz Heim gefahren, der Holzraum ist gut gefüllt, aber nicht ganz. Ich denke wir brauchen mindestens noch vier, ehe der Vorrat für den Winter steht. Wie jedes Jahr wird es natürlich eng, neben dem Brennholz stehen dort auch die Mülltonnen, manche Lebensmittel die wir dort aufbewahren und natürlich auch die geschnittenen Holzlatten, die ich von der Arbeit mitbringe und die wir nutzen, um das Ofenfeuer zu entfachen. Da wir noch einige Stämme und andere, dickere Stücke im Garten liegen haben, habe ich am Abend noch angefangen, diese mit der Kettensäge auf Länge zu schneiden. Die sind zu groß für unsere Wippsäge. Seitdem ich eine Schärfhilfe benutze, die neben den Zähnen auch die Räumer feilt, ist die Kette um einiges schärfer. An sich waren meine Ketten nie wirklich stumpf, dennoch merkt man einen deutlichen Unterschied. Vermutlich brauchen wir nur noch zwei bis drei Tage, dann sollte sowohl unserer, als auch der Vorrat für die Schwiegermutter gedeckt sein. Ich kann nur morgens arbeiten, mein quasi Schwager schaut wie er die Zeit findet und unterstützt mich.
Abends gehe ich dann am Stock, mein Rücken schmerzt und krampft und ich muss meine Übungen machen, damit ich mich entsprechend meines Alters fühlen kann. Wir waren fleißig, es hat Spaß gemacht und selbst im Bett hatte ich noch den Geruch von trockenem Holz und Sonderkraftstoff in der Nase.
Heute waren wir wieder im Garten meiner Schwiegermutter, wie so oft hatte ich meine Kamera dabei, somit entstand unter anderem die heutige Aufnahme. Ich liebe Kornblumen, ihrer Blüten haben etwas Erhabenes. Die Form der Blätter, einer Krone gleich, und die herrlichen Farben. Ich stelle mir das zarte Gesicht einer Elfe vor, deren liebliches Gesicht von den Blüten der Kornblume umrahmt, gleichzeitig anmutig, aber auch erotisch und geheimnisvoll, zwischen Gräsern und anderen Blüten mich anschaut. Eine kleine Kriegerin, oder eine Königin, inmitten eines prächtigen Waldes aus Blüten und Farben.
ardaudiothek.de | Claudia Hochbrunn, Psychologin, über ihr Herz für Idioten