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07 März 2023 - Video der Erschießung eines Soldaten

Seit kurzem geht ein Video über die offensichtliche Hinrichtung eines Soldaten in verschiedenen Netzwerken um.

Die Aufnahme zeigt einen Angehörigen der Ukrainischen Armee, wie er rauchend die letzten Sekunden seines Lebens verbringt. Er steht seitlich, nimmt mit der rechten Hand die Zigarette die er raucht, hält diese auf Brusthöhe, atmet den Rauch aus und spricht seine letzten Worte: Slava Ukraini!

Eine Sekunde später wird er, wie es scheint, aus verschiedenen Richtungen erschossen. Ich möchte über die Dinge schreiben, die mir in diesem Video aufgefallen sind. Wie zum einen direkt zu Beginn, dass die gegnerischen Soldaten gestresst wirken. Während das Opfer seine Hand hebt um die Zigarette zu nehmen, wackelt auch die Aufnahme, was ich als Abwehrhaltung verstehe. Kein Wunder, denn die Männer befinden sich direkt an einer feindlichen Stellung. Der viele Stress, das grausame Sterben jeden Tag, die Situation an sich ist gefährlich und kann jeden Moment umschwenken.

Dann, als der Mann seine letzten Worte spricht und das Feuer sofort auf ihn eröffnet wird. Wie ich es sehe, genügte bereits der erste Schuss um den Mann zu töten, denn er sackt sofort zusammen. Trotzdem treffen ihn noch einige weitere Kugeln von mindestens zwei Schützen. Die Soldaten leeren nicht nur ihre Magazine, sie entladen nach meiner Auffassung auch ihre Wut auf den Feind. Mir geht dabei der Begriff Übertötung durch den Kopf, denn selbst als der Mann bereits am Boden liegt wird weiter geschossen.

Dabei kommt es dann zu der, moralisch betrachtet, schlimmsten Verletzung durch einen Kopfschuss. Man sieht wie der Kopf aufreißt, das Projektil tritt am Hinterkopf ein und im Stirnbereich wieder aus. Der Soldat selbst wird vernichtet, es wird ihm aber auch ein Stück weit seine Identität genommen. Durch DNA oder Dokumente lässt sich diese natürlich weiter nachweisen, aber das wichtigste Erkennungsmerkmal wird zumindest entstellt. Lebendige Menschen erkennen wir an ihrer Mimik, am Gang, an ihrer Sprache oder an ihrer individuellen Art sich zu kleiden, tote Soldaten verlieren all das. Ihre Uniform anonymisiert sie, macht sie zu einem von vielen.

Ein Toter, dessen Gesicht wir nicht sehen, ist ein Toter. Einer mit einem Gesicht erzählt eine Geschichte, macht einen Unterschied. Wir erkennen ihn weiter als den, der er einmal war.

Was ich aber am beeindruckendsten fand war, der Soldat schien sich seinem Ende ganz bewusst. Er wirkte nicht nur als habe er keine Angst, er traf sogar eine Entscheidung. Er zog ein letztes Mal an seiner Zigarette, sah zuerst sieh und dann seine Mörder an, ließ sich dabei bewusst Zeit auszuatmen und sprach diese beiden Worte. Was mir zeigt, er glaubte an seine Sache. Er bestimmt selbst über sein Ende, seine Mörder haben keine Macht über ihn. Er fleht nicht, er zweifelt nicht.

Natürlich wird sein Tod auch ein Stück weit benutzt. Ausgeschlachtet klingt vielleicht ein Stück zu hässlich, auch wenn es sicher auf das gleiche hinausläuft. Das Video wird überall geteilt, es werden sehr schöne Bilder von ihm erstellt die sein heroisches Ende ehren sollen. Er ist nun ein Held. Er hat das ultimative Opfer gegeben, zur Verteidigung seiner Heimat und der Werte für die er vermutlich stand. Es soll andere inspirieren, ihnen die Kraft geben nicht aufzugeben, einen Sinn um weiter zu kämpfen.

Ist all das richtig? Natürlich nicht. Es ist ein sinnloses Gemetzel, eine Verschwendung von Menschenleben und Ressourcen. Bis auf die Grundmauern werden Städte und Infrastruktur zerstört, die Umwelt vergiftet und mit Narben überzogen. Die Geschichte der Menschheit wird um ein grausames Kapitel reicher. Der Hass der beiden Nationen wird mit jedem Schicksal größer, das Vergessen schwerer bis unmöglich.

Zu guter Letzt will ich noch sagen, dies ist ein Schicksal von vielen. Auf diese Weise sterben etliche Menschen in diesem und jedem anderen Krieg, und nicht immer sind es Russen die wehrlose Männer erschießen. Hoffentlich findet das Morden bald ein Ende. Hoffentlich finden die Menschen bald wieder Frieden.

In Gedanken bin ich bei den Angehörigen dieses Mannes. Ihre gemeinsame Vergangenheit wurde durch diesen schrecklichen Tod zu einer Geschichte, derer andere sich sicher erinnern und weitergeben werden. Er selbst kommt nie mehr wieder.

Ein von Abendsonne erleuchteter Kondensstreifen verwehrt vor einem Hintergrund aus mit weißen Wolkenstreifen bedecktem blauen Himmel. | hosentaschenblog.org