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07.02.2023
Viel zu erzählen!
Im Moment habe ich einen ganzen Blumenstrauß an Geschichten im Kopf, die ich zwar allesamt erzählen möchte, von denen ich aber auch ganz genau weiß dass ich die Hälfte eh wieder vergesse, weil ich sie gar nicht schnell genug tippen kann um sie loszuwerden.
So vieles dass mir durch den Kopf geht, immer wieder Kinder und Stimmen und Erlebnisse und der dergleichen mehr, ich ersaufe in einer Welle aus Eindrücken und weiß gar nicht in welche Richtung ich tauchen soll um wieder Luft zu bekommen. Also fange ich lieber mal schnell an, ehe ich ermattet an den Strand gespült werde, das Gedächtnis verloren, genauso wie jegliche Hoffnung auf Rettung.
Fangen wir also beim wohl größten Ereignis des Tages an. Der Große hat es geschafft, er wird als einer von dreien an seiner Schule im Rahmen des Erasmus Programms im kommenden August für sechs Wochen in Finnland sein. Ihr könnt euch vorstellen wie stolz wir als Familie sind. Wir freuen uns aber auch total für ihn, weil das zum einem ein Erlebnis sein wird, an das er sich sein Leben lang erinnern wird. Es wird ihn weiterbringen. Ich meine dabei nicht nur beruflich, sondern auch als Mensch. Im Kopf wird das was mit ihm machen. Er kommt raus aus allem dass er kennt, wird völlig neue Menschen und eine komplett andere Lebensweise kennenlernen. Wie gut für ihn. Allerdings, ein Stück Sorge schwingt natürlich auch immer mit. Ich mache mir nämlich nicht nur Hoffnungen für die Zukunft, es gibt auch Sorgen. Speziell denke ich dabei an den aktuellen Konflikt. Was wird sein wenn der sich ausweitet, in der Zeit wenn unser Sohn im Ausland ist? Das sind alles natürlich nur Gedankenspiele, wer garantiert denn aber dass es nicht wirklich soweit kommt? Gerade in Bezug auf den geplanten NATO-Beitritt Finnland's wäre vieles denkbar. Abgesehen von meinen Sorgen wird das für den Großen aber eine geile Zeit. Mit etwas Glück schnappt er sich ja auch eine hübsche blonde Finnin, so wie ich den kenne hat der aber keine Augen für so was.
Ich glaube ja das Katzen kleine Attentäter sind. Katzentäter sozusagen. Motte ist diesbezüglich besonders nervig. Heute erst wäre ich schon zweimal beinahe über ihn gefallen, im Treppengang. Wenn er mir so vor die Füße läuft und ich dann fast stürze würde ich am liebsten in aller roher Gewalt ausholen und die kleine Mistratte gegen die nächstbeste Wand klatschen. Wie kann man auch so blöd sein? Dann mautzt der noch, dumm gucken kann der sowieso. Dann schimpfe ich immer, als Antwort wieder nur ein unterdrücktes Mautzen. Ihr müsstet die beiden mal sehen wenn es Futter gibt. Dann laufen sie vor einem her, lassen einem keinen Platz einen anständigen Schritt zu tun und bleiben immer wieder stehen, weil ich ja stehen bleibe. Das ich aber nicht weiterlaufen kann, weil die beiden Fressorgianten mir den Weg versperren... Und wenn die Bäuche voll sind will man raus. Und wenn man nicht raus will geht es in den Keller. Ist der uninteressant, oder man ist durchgefroren, dann muss man unbedingt auf den Schoß und sich minutenlang schmusen und kraulen lassen. Wenn man dann so frech ist und vor der Zeit die Hand wegnimmt kommt eine Pfote, auch in Kombination mit ausgefahrenen Krallen, greift danach und führt sie an den vorgesehenen Platz zurück, weil doch jetzt gerade Schmusezeit ist. Katzen!
Im Moment bin ich Tochter's Liebling. Nicht etwa weil ich es wert bin, viel mehr stelle ich einen gewissen Wert da. Vor allen Dingen bin ich zwei Dinge: zahlungskräftig und mobil. Mir ist schon klar dass Fräulein nur etwas wollen kann wenn sie mich mal wieder umgarnt, küsst und mir sagt wie lieb sie mich doch hat. Am Arsch die Waldfee! So kommen wir zum nächsten spannenden Erlebnis von heute. Das Kind braucht unbedingt neue Schuhe. Sommerschuhe. Wir haben zwar im Moment wieder Minusgrade, aber man will schließlich vorbereitet sein. Passt auf, es wird noch spannend.
Nachdem ich also das Heimnetz, auch eine Geschichte für sich, erweitert hatte ließ ich mich dazu breit schlagen mit dem Kind nach Simmern zu fahren um Schuhe zu kaufen. Schon als ich noch auf der Arbeit war bekam ich Textnachrichten, sie brauche neue Schuhe. Ich brauche dies, ich brauche das, ich brauche jenes. Jetzt, gleich, sofort! Keine Sorge, sie bekommt was sie will, in genau dosierten Einheiten. Ich schweife ab. Wir fuhren also nach Simmern, Deichmann. Dort angekommen ging Fräulein sehr zielstrebig in einen Gang, was mir sofort auffiel. Das erste Paar Schuhe vor dem sie stehen blieb fiel raus, zu hässlich. Ich wusste, dies ist das Alibipaar. Das wirkliche Objekt der Begierde stand ein paar Kartons weiter. Ich kenne meine Tochter, ich sehe wenn sie aufgeregt ist. Sie zog für die Anprobe den falschen Schuh aus, steckte den Schuh auf den falschen Fuß, sie sprach in vielen kleinen Details unbewusst ihre Nervosität aus. Ich rollte mit den Augen. Du bist jetzt fünfzehn Jahre alt, bist du ernsthaft nicht in der Lage Schuhe anzuziehen? ... Ich sehe wie aufgeregt du bist. Du bist nicht in der Lage eine vernünftige Entscheidung zu treffen. Konzentriere dich jetzt, sonst gibt das keinen. So sprach ich, nichts ahnend wie recht ich haben würde. Warum sind Frauen so? Gibt es am Eingang von Schuhgeschäften ein Fach an dem ihr eure Gehirne ablegen und im Tausch ein Glas Sekt in Empfang nehmen könnt? Es sind nur Schuhe!
Nun gut. Nachdem die Schuhe probiert und der Probelauf erledigt war ordnete ich an nach Alternativen zu suchen. Wir gingen also durch das Geschäft, durch zwei drei Gänge, und ich wusste sofort: Wir absolvieren hier gerade den Alibigang! Ich bin doch nicht blöd, ich bekomme das genau mit. Als ich ihr meinen Gedanken verriet, antwortete sie halb grinsend, halb lachend: Wir hätten jetzt durch das ganze Geschäft gehen können, ich hätte nur dieses Paar geholt. Gut, also nahmen wir dieses Paar... Motte, mach Platz... wir nahmen dieses Paar und gingen an die Kasse. Dort war ich wieder einmal unmöglich. Der Kassierer fragte ob er die Schuhe imprägnieren solle. Meinetwegen, gerne!, sagte ich, ohne auf weitere Details zu achten. Als er die Schuhe in einen Automaten steckte wurde ich stutzig. Darauf prangerte ein Schild, Schuhe imprägnieren 3,99€.
Ja, wir leben im Jahr 2023, aber ich habe einen solchen Automaten heute zum ersten Mal gesehen. In der Regel gehen die Verkäufer mit einer Sprühdose vor die Tür und sprühen die Schuhe ein, kostenlos. Das war heute anders. Ich kürze meine, zugegeben, etwas ungehaltene Reaktion, ein wenig ab: Sie hätten mir sagen sollen dass das was kostet, dafür bezahle ich nicht! Meiner Tochter war das natürlich total unangenehm und fiel mir wie schon so oft ins Wort, weshalb ich dann wirklich unangenehm wurde und sie ermahnte still zu sein. Das habe ich ihr schon tausend Mal gesagt, halt deinen Mund wenn die Erwachsenen sich unterhalten! Ich habe meine Meinung und die spreche ich aus! Ob dir das passt oder nicht! Der Verkäufer bekam also was geboten, kam uns aber entgegen indem er uns anbot, die 3,99€ für das Imprägnieren nicht in Rechnung zu stellen. Mir tun die paar Kröten nicht weh, aber man sollte die Leute schon im Vornherein informieren und nicht davon ausgehen, dass solche Dinge zum Allgemeinwissen gehören oder jeder irgendwelche Zettel liest. Da bin ich eisern. Dumm war halt dass ich meiner Tochter so über den Mund gefahren bin, daran ist sie aber selber schuld und das war auch nicht das letzte Mal. Ich entschuldigte mich bei ihm da ich es nicht besser wusste und wünschte einen schönen Abend, dann waren wir raus.
Wer glaubt dass es damit gut wäre irrt. Zuhause angekommen stellte meine Frau dann fest, dass dieser sorgfältig ausgewählte und im Laufschritt getestete Schuh an der Ferse zu groß ist. Den kann das Kind auf keinen Fall tragen.... Wieder diese Würgefantasien.... Meiner Frau passen die Schuhe natürlich auch nicht, weshalb ich morgen wieder mit dem Kind nach Simmern zum Deichmann fahren kann um diese Schuhe umzutauschen... Weiberscheiße ist ein Begriff der mir die ganze Zeit durch den Kopf geistert... Ich will das alles nicht! Ich will einer fünfzehn Jährigen nicht erzählen müssen dass ein Schuh den Fuß fest umschließen muss, ich erwarte dass man solche Dinge selbst weiß, dass ich nur mitkomme für die Unterhaltung und um zu zahlen. So, jetzt ist die Geschichte von den neuen Schuhen zu Ende. Jedenfalls hoffe ich es!
Als wir Heim fuhren hielten wir schon kurze Zeit später wieder Händchen und erzählten. Ich bereute wieder einmal dass ich meine Kamera nicht dabei hatte, denn wir fuhren in einen unglaublich schönen, klaren Sonnenuntergang, mit atemberaubenden Motiven. Stellt euch die Welt vor wie sie immer dunkler wird. Es gibt nur noch wenige Farben. Am Rand ist alles schwarz, die Sonne färbt den Abendhimmel von einem satten Gold, hin zu einem sanften Gelb und tiefen Rot. Stellt euch warme Temperaturen dazu vor, denkt euch auf eine Wiese. Die Wiese riecht nach Sommer, nach Erlebnissen, nach einem besonderen Mensch, einem leckeren Getränk. Wir fuhren in den Sonnenuntergang und staunten und sprachen. Die Überlandleitungen im Vordergrund, dahinter drehten sich die Windräder unaufhaltsam und erzeugen den Strom welcher durch die Leitungen fließt. Diese Dinge bilden einen schwarzen Kontrast, so hängen die Dinge zusammen. Später dann wird der Himmel immer schwärzer, am Rand meine ich ein leichtes Grün zu vernehmen. Der gold-rote Saum wird immer kleiner, in Gedanken verabschiede ich den Tag, bitte ihn wieder zu kommen. Hallo Nacht, bringst du süße Träume? Wie tiefschwarz du bist. Und auch nicht, denn der Himmel ist klar und die Sterne zeigen sich von ihrer schönsten Seite. Halb fahrend, halb träumend, meinem Hörbuch lauschend nehme ich alles in mich auf. Genieße, bin ganz frei. Eindrücke die es wert sind gelebt zu haben. Am liebsten wäre ich mitten auf der zweispurigen B50 stehen geblieben, um in Fotos festzuhalten was meine Augen da sahen. Ihr hättet wirklich dabei sein sollen.
Es gibt noch so vieles was ich schreiben könnte, aber die Uhr tickt und ich muss morgen wieder früh aus. Einiges ist gesagt, das andere landet in der Schublade. Dort ist es schön, bunt, laut, energiegeladen und niemals langweilig. In eine solche Schublade wollen Träume gesteckt werden. Am Ende ihres kurzen Lebens, einer Nacht, eines Moments. Zwischen Sonnenuntergängen, Ämtern, Koffern voll Bargeld und den Versuchen wie Superman zu fliegen liegen sie und fangen selbst an zu träumen. Von einer Nacht, einem Moment, dieser einen Sekunde wenn sie von der Schublade in Köpfe übergehen und ein Lächeln auf schlafende Lippen zaubern.
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