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16.04.2022
Abschied? Oder doch nur ein Echo aus der Ferne?

Ganz überraschend hat sich gestern Abend einer meiner Onkel bei mir gemeldet.

Er hat vom schlechten Zustand meines Vaters berichtet. Ich möge mich bitte umgehend melden, was ich heute morgen tat.

Ich dankte ihm für seine Mühen, mich ausfindig gemacht zu haben, um mich zu informieren. Gleichzeitig gab ich ihm aber auch freundlich zu verstehen, dass ich nicht Anteil nehme am Schicksal dieses Mannes.

Es wäre nicht ehrlich zu behaupten betroffen zu sein, auch wenn ich damit weitestgehend auf Unverständnis oder sogar Ablehnung stoße. Es ist befremdlich für die meisten, trotzdem habe ich etwas zu sagen.

Mein Vater war mir Zeit meines Lebens fremd. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals eine gute Bindung gehabt hätten. Zumindest nicht in den entscheidenden Jahren. Versucht haben wir es. Gerade wegen der Kinder hatten wir einige Jahre regelmäßig Kontakt. Allerdings sind wir nie auf einen gemeinsamen Nenner gekommen.

Für mich fühlte es sich immer an als wären wir nicht auf Augenhöhe. Ich sah auf ihn herab. Er war mir stets eine Last. Was letzten Endes dazu führte, dass ich vor ein paar Jahren den Kontakt endgültig abbrach.

Er hat vieles gesagt und getan, sich dabei selten mit Ruhm bekleckert. Etwas das uns eint. Sicher hat er uns auf seine Weise geliebt, auch wenn er es nicht so zeigen konnte wie ich es mir gewünscht hätte. Es mangelte dazu an Zeit, die Umstände gaben es nicht her. Die Kluft war zu groß, die familiären Verhältnisse schwierig.

Er hat mir einmal erzählt, dass er davon träumt im Alter etwas Land zu besitzen. Tiere zu halten. Schade dass daraus nichts wurde. Wer weiß was aus ihm geworden wäre, wenn er sich diesen Traum erfüllt hätte. Wer weiß ob er es jemals getan hätte. Vielleicht ist ihm dadurch nur eine weitere Enttäuschung erspart geblieben.

Die Arbeit war über viele Jahre sein Ein und Alles. Er war LKW Fahrer für einen Dachmarkt. Selbstständig sein. Zu jeder Zeit, bei jedem Wetter. Das war genau sein Ding. Bis er bei Regen vom Fahrzeug stürzte und sich einen Wirbelbruch zuzog. Seitdem ist er an den Rollstuhl gefesselt.

Ich erkenne mich in manchem das ihn ausmacht. Dinge die ich an mir selbst schätze. Und auch meine Schatten. Letzten Endes muss ich erkennen; eine einseitige Betrachtung ist sicher nicht fair und wird ihm als Mensch auch nicht gerecht.

All das klingt nach Abschied. Dabei weiß ich nicht einmal wie es ihm geht. Gut möglich dass er noch lange lebt. Wenn es so wäre, wenn ich diese E-Mail nicht bekommen hätte, würde ich sicher keinen Gedanken an ihn verschwenden.

Wir sind zwei Fremde die sich ein Leben lang kannten. Nur dass wir am Ende keine Freunde werden, sondern einer einfach verschwindet.

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Zuletzt bearbeitet am 16.11.2023

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